Apr 20

Am Dienstag dem 18. April wurde zu einem außergewöhnlichen Trainings­abend ins Sport­forum (Kultur­saal) eingeladen, wozu über zwanzig Mitglieder unseres Vereins erschienen, außerdem als Jüngster das Nachwuchstalent Alex Nguyen von Grün-Weiß Leipzig.
Wegen der gleichzeitig in Sebnitz stattfindenden Sachsen-Einzelmeisterschaften U8 bis U18, wo unser Verein mit 12 Nach­wuchs­spielern vertreten ist, fehlte (bis auf Sebastian Liedtke) unser eigener Nach­wuchs leider bei der interessanten Veranstaltung.

Großmeister Lanka aus Lettland (und Bundesliga­spieler bei TSV Schott Mainz) erfüllte mit einem wohldurchdachten Programm und mit seinem persönlichen Witz und Charme dann auch wirklich alle Erwartungen des in Bezug auf DWZ/Elo breit gefächerten Publikums. Zwischen­fragen und Zugvorschläge fertigte er nicht kurz ab, sondern ging immer geduldig und über­zeu­gend darauf ein, so abwegig manches davon ihm auch erschienen sein mochte. Als Medien benutzte er eine Leinwand mit einem Digitalprojektor (denglisches Fachwort dafür heißt „Beamer“), aber mitunter auch mal ein Demobrett, wobei er von Bert Riedel am Computer assistiert wurde. Reichlichen Gebrauch machte er von farbigen Feldern und Pfeilen in den Diagrammen, wodurch das „Beamerbild“ phasenweise einer bunten Blumenwiese glich aber dennoch immer verständlich blieb.

Das Thema des Tages hieß „Angriff auf der g-Linie“ gegen den kurzrochierten König, und den Auftakt bildete eine lehrreiche Partie des lettischen GM Alexei Schirow gegen Ljubomir Ljubojevic aus dem Jahre 1999 im Najdorf-Sizilianer (B84), in welcher Schwarz sich leichtfertig am vergifteten weißen Bauern g4 vergriff und daran zugrunde ging, dass er selbst dem Gegner entgegenkommend die g-Linie geöffnet hatte.

NajdorfZigurds zeigt die ersten Züge der lehrreichen Najdorf-Partie.

Als zweiten Beitrag führte er eine „Amateurpartie“ mit zu früher schwarzer Rochade im Pirc-System vor, wobei er auf viele kleine aber feine Unterschiede zwischen Pirc und Königsindisch aufmerksam machte.

Um auch Schwarz in der g-Linie zum Zuge kommen zu lassen, folgte eine Partie im si­zi­li­a­ni­schen Paulsen-System (B42), worin der schwarze Läufer auf a7 einen ruhigen „Garagen­platz“ gewählt hatte, aber für dauernde Unruhe im angestrahlten weißen Lager sorgte. Auch hier hatte der Gegner leichtfertig die g-Linie mit dem Verspeisen des Bauern g7 geöffnet und den schwarzen Aufmarsch damit begünstigt. Wir lernten dabei von Lanka den Begriff „Revolver­springer“, worunter er zwei verbundene Springer versteht, von denen der zweite nach Ab­schuss des ersten sofort dessen Stelle einnimmt und weiterkämpft. Das Gegenstück dazu sind passive verbundene (d.h. sich gegenseitig deckende) Springer, vor denen gewarnt werden muss, was mit dem Elementarendspiel K+D vs. K+S+S demonstriert wurde.

Als viertes Beispiel folgte eine Partie im Reti-System, womit der Grundsatz von Richard Reti „Das Zentrum nicht besetzen, sondern beherrschen!“ ebenso sinnfällig gemacht wurde wie der Begriff der „ultimativ verzögerten Rochade“.

Als fünften Beitrag erlebten wir eine Spanischpartie und lernten die Vorzüge der ge­schlos­se­nen Behandlung (mit 5.d3) kennen, insbesondere auch den Umstand, dass ein weißer Läufer auf c1 als entwickelte Figur gelten darf, wenn er nur freie Sicht bis nach h6 genießt! Den dabei in der Ecke a1 verbleibenden weißen Turm nannte er einen „Edelreservisten“, der erst bei Bedarf in den Kampf eingreifen werde. Einen weißen Springer auf f5 nennt Lanka „Kasparows Großmutterspringer“, weil Kasparow einmal gesagt haben soll, dass er für so einen Springer seine Großmutter verkaufen würde. Und die Bauern haben bei ihm auch alle ganz neckische Namen: Anton, Boris, Charlie, Dietrich, Erich, Fritz, Garri und Harry, so dass der Angriffszug g2-g4 als Befehl „Garri vor!“ bezeichnet wird.

RevolverspringerEin Paar „Revolverspringer“, auf f5 „Kasparows Großmutterspringer“.

Als der Großmeister uns gerade die Bedeutung der Beachtung von Signalen auf dem Brett erklärte („Auf Signale achten immer die Erfolgreichen, während sich die Pechvögel ihre Miss­erfolge nicht erklären können!“), kam so ein Signal in Gestalt eines Hausangestellten, der verkündete, dass „um neun alle raus!“ zu sein hätten. Das durfte nicht ignoriert werden, und so endete der Abend leider etwas abrupt.

Im Nachhinein wurde bekannt, dass Zigurds Lanka für das Projekt unseres Vereinsheims ein Feld auf dem Spendenbrett für 500 € erworben hat, wofür zum Glück für ihn und für uns alle auch noch ausgerechnet das nun verkaufte Feld g4 im Angebot war!

Vielen Dank, Zigurds, im Namen aller Teilnehmer für die rundum gelungene Veranstaltung mit dir und mit Garri, dem Rammbock!


2 Antworten auf “Großmeistertraining mit Zigurds Lanka”

  1. 1. MK schrieb:

    Sehr schöner Beitrag. Es liest sich, als ob man dabei gewesen ist.

  2. 2. Berti schrieb:

    Ein toller Beitrag zu einem wundervollen Abend. Wir sollten das unbedingt wiederholen. Der abrupte Abbruch geht allerdings auf meine Kappe …

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