Dez 14

Am vergangenen Wochenende fand die nächste Doppelrunde in der zweiten Bundesliga Ost statt. Rein formal waren das bereits die Runden 5 und 6; eine weitere Doppelrunde war vom Oktober auf Mitte März verlegt worden. Da diese Verlegung aber die ganze Staffel betrifft, kann es ziemlich egal sein, um welche Runden es sich formal handelte; für praktische Zwecke haben wir soeben das zweite Punktspielwochenende hinter uns gebracht.

Mit Aue und Bindlach standen erneut zwei zahlenmäßig deutlich stärkere Gegner auf dem Plan. (Stephan hat sich bereits die Teams ausgesucht, gegen die wir im Klassenkampf unbedingt punkten wollen; weder die Gastgeber aus Aue noch deren Reisepartner erfüllten dieses Kriterium. Insofern lautete die Parole einfach „schauen was geht“, dennoch kamen wir zumindest einmal einen Erfolg sehr nahe.)

Bevor ich zum Spielverlauf komme, ein paar kurze Worte zur Aufstellung. Wir mussten mehrere Ausfälle verarbeiten und brachten neben dem vorderen Stammvierer und Kapitän Stephan noch Manfred Schöneberg, Thomas Schunk und Andreas Schultz an die Bretter. Eigentlich hätte uns Matthias verstärken sollen, aber er hatte bis einschließlich Freitag an der Deutschen Einzelmeisterschaft in Saarbrücken teilgenommen, so dass uns stattdessen die genannte Auswahl verstärkte.

Am Samstag mussten wir gegen Aue antreten. Der Wettkampf begann recht ruhig; zu meiner Ãœberraschung ging keine einzige Partie – nicht einmal meine eigene – von Anfang an den Bach runter. Hoffnungsvoll sah es bei Joachim aus, halbwegs neutral an den meisten anderen Brettern, nur Andreas und Leo machten mir Sorgen. Der letztere hatte sehr viel Zeit in die Eröffnung gesteckt und stand etwas gedrückt, dafür machten seine Bauern ein paar unmotiviert anmutende Züge (was die Möglichkeit nicht ausschließt, dass es sich um eine „normale“ Theorievariante handelte).

Manfred hatte kurze Zeit später einen Bauern weniger, und es gab verschieden lautende Gerüchte, inwiefern das Absicht gewesen war. Im Gegenzug hatte er seine Figuren druckvoll postiert; er konnte zwar nicht von sich aus lospreschen, aber für den Gegner war es schwer, verlustfrei Fortschritte zu erzielen. Die beiden Spieler einigten sich in der Folge bald auf Remis.

Schunki spielte mal wieder eine kuriose Partie. Ich habe beobachtet, dass die meisten Spieler bemüht sind, ihre Figuren irgendwie harmonisch ins Rennen zu schicken; El Presidente schien dieses Konzept an jenem Tag fremd zu sein. Seine Figuren hatten offenbar kein Interesse an einer „geschlossenen Mannschaftsleistung“, vielmehr standen sie wild übers Brett verstreut. Mitten in der Partie schien sein f-Bauer plötzlich Lust auf einen kleinen Ausflug zu haben und rannte dreimal am Stück nach vorn, ohne sich um den Rest der eigenen Schar zu kümmern.

Die Partie endete ebenfalls recht zügig mit Remis. Die genauen Umstände sind mir nicht bekannt, ich tippe mal auf ein schlichtes Angebot des Gegners in noch unübersichtlicher Stellung. (Wie sollten die beiden das Chaos sonst so schnell in eine technische Remisstellung abgebaut haben?) Schunki meinte nachträglich, er hätte mal klar vorteilhaft gestanden, aber einen richtigen Gewinn konnte ich während der Runde nicht ausmachen.

Während wir uns über die ersten Brettpunkte freuten, ging leider an anderen Brettern allmählich einiges schief. Hannes landete in einem schlechteren Turmendspiel, Joachim geriet trotz des bereits stark reduzierten Materials in einen gefährlichen Angriff, und Andreas musste im Mittelspiel die Dame für Turm und Leichtfigur geben. Lediglich bei Leo (und bei mir, eventuell Ansichtssache) ging es etwas bergauf.

Joachim konnte seine Stellung irgendwann leider nicht mehr zusammenhalten; das Druckspiel seines Gegners muss wohl so viel Material gekostet haben, dass sich das Weiterspielen nicht lohnte. Da wir an den meisten restlichen Brettern hinten lagen, sah es hier nicht nach einem Mannschaftserfolg aus. Kompliment an die Mannschaft, die alles gab und erstaunlich viel aus ihren Stellungen herausholte.

Leo erkämpfte sich einen halben Punkt, und auch Hannes rettete ein Remis über die Ziellinie. Stephans Position gefiel mir zunächst nicht gut, doch dann verlief sich der Turm seines Gegenübers im Endspiel an den Brettrand, ließ sich dort einsperren, und unser Kapitän stand nach eigener Aussage plötzlich auf der Siegerstraße. Dummerweise ließ er in der Zeitnotphase eine dreimalige Stellungswiederholung zu, so dass es bei einem Remis blieb.

Wir waren also weiterhin eine Niederlage im Rückstand. Andreas hatte das weiter oben erwähnte schlechte Materialverhältnis, aber es muss ihm gelungen sein, mit Turm und Springer eine schöne Festung aufzubauen, welche die Bauernbestände an beiden Flügeln sicher zusammenhielt. Er holte somit einen weiteren halben Punkt, der nicht jederzeit als selbstverständlich anzusehen war.

Dann war da noch meine Wenigkeit. Ich hatte nach gefühlt zehn Jahren erstmals wieder eine ansatzweise seriöse Spanisch-Partie mit Weiß auf dem Brett und hatte, nachdem ich mich durch die Eröffnung gequält hatte, im Mittelspiel einen Bauern gewonnen. Kurz vor der Zeitkontrolle sah ich mich genötigt, meinem Gegner ebenfalls eine Zugwiederholung anzubieten, doch dieser ließ die Gelegenheit aus und verdarb bald darauf seine Stellung, indem er eine heftige Konterchance zuließ.

In der Folge war eine klare Gewinnstellung entstanden. Als nun alle anderen Bretter (einschließlich des Nachbarkampfes; dort hatte Bindlach die Magdeburger mit 7:1 abgebügelt) fertig waren, wickelte ich in ein gleichermaßen klar gewonnenes Endspiel ab. Vor der Masse der Schaulustigen ließ ich eine Gelegenheit nach der anderen aus und brachte am Ende nur ein Remis zustande, welches gleichzeitig einen Mannschaftspunkt kostete, der andernfalls gegen eine nominell stärkere Mannschaft als verdient zu bezeichnen gewesen wäre. Sorry!

Am Sonntag wurde es gegen Bindlach nicht leichter. Im Gegenteil, wir gerieten diesmal schneller auf die Verluststraße; vielleicht waren wir durch den harten Kampf am Vortag noch zu stark geschwächt, jedenfalls wurde das ganze eine nicht so knappe Sache. Die ersten Sorgenfalten bekam ich bei Schunki, der nach meinem Verständnis bereits im sechsten Zug aus theoretischer Sicht fehlgriff, doch auch die meisten anderen Bretter sahen in der Anfangsphase nicht sehr verheißungsvoll aus.

Schon früh gingen die Gegner dann in Führung. Joachim hatte offenbar nicht sein bestes Wochenende erwischt (wobei man zu seiner Verteidigung sagen muss, dass er zwei äußerst starke und erfahrene Gegner hatte) und musste noch deutlich vor der Zeitkontrolle die Hand herüberreichen. Bei Manfred gab es ein für seine Verhältnisse vergleichsweise scharfes Mittelspiel zu bewundern, das letztendlich in ein Remis mündete.

Schunki stand lange gedrückt, hatte danach erst einen Bauern und schließlich eine Leichtfigur weniger. Die gute Nachricht ist, dass er in seiner Partie schon lange nicht mehr so gut stand wie zu dem Zeitpunkt dieses materiellen Rückstands; die schlechte Nachricht lautete, dass seine Gegnerin trotzdem eine saubere Technik zeigte und damit den Bindlachern vorübergehend das 2,5:0,5 bescherte.

Leo und Hannes spielten beide eine volle, ausgekämpfte Partie, die in einem remisen Endspiel versandete. Damit verblieben die gleichen drei Protagonisten wie schon am Samstag, nämlich Stephan, Andreas und ich. Stephan hatte einen Bauern weniger, Andreas sogar eine Qualität, allerdings mit einem äußerst starken zentralen Läufer, der seine gesamte Position zusammenhielt.

Zwischendurch wurde die Zielstellung ausgegeben, dass Andreas und ich gewinnen und Rauschi Remis halten sollten. Kurz gesagt, daraus wurde nichts. Zwar hatte Stephan sich in ein Damenendspiel gerettet und dort tatsächlich den kaum noch erhofften halben Punkt geklammert, aber Andreas kam über ein Remis einfach nicht hinaus. Der Mannschaftskampf war damit bereits zu unseren Ungunsten entschieden. Wie am Vortag blieb mir die Ehre, als letzter Spieler noch zu schuften, während alle anderen bereits nach Hause wollten. (Im Nachbarkampf hatte Aue übrigens die Magdeburger mit 5:3 überwunden.)

Der Partieverlauf bei mir hätte nicht kurioser sein können. Ich kam passiv aus der Eröffnung heraus, bildete mir aber ein, zwischendurch erst den Ausgleich geschafft zu haben und etwas später sogar Vorteil erreicht zu haben – mein Gegner mag das möglicherweise anders sehen. Eine der vielen positionellen Entscheidungen, die ich traf, muss aber eine schlechte gewesen sein, jedenfalls fand ich mich in einer reichlich fortgeschrittenen Parteiphase mit dem Rücken zur Wand wieder.

Von da an überspielte mich mein Gegner sauber, bis hin in ein klar gewonnenes Endspiel (ungefähr so deutlich wie meine Gewinnstellung am Vortag). Dort erlaubt er sich vor den Augen des Publikums einen groben Patzer, der mich von einer nicht zu beschönigenden Ruine in ein Damenendspiel mit Mehrbauern kommen ließ. Alle Anwesenden hatten nun Angst, dass die Partie noch weitere zwei Stunden dauerte, aber kurz danach gab es ein Dauerschach und, wenn man so will, einen versöhnlichen Abschluss.

Mit 3:5 endete dieser Kampf. Wir hatten uns eigentlich halbwegs gut verkauft, denn beide Gegnerteams waren wie gesagt von den Zahlen her deutlicher Favorit. Andererseits haben wir nicht einen einzigen Brettsieg fabriziert, und das macht etwas Sorgen für die weiteren anstehenden Matches. Ende Januar geht es gegen Magdeburg, die letzten beiden Wettkampfwochenenden liegen im Februar bzw. März, und dann müssen Punkte her, wenn wir den Klassenerhalt schaffen wollen.

Zum Abschluss noch zwei Diagramme aus meinen Partien, die zeigen sollen, wie nahe Licht und Schatten beieinander liegen können:

Dieses Turmendspiel hatte ich nach reichlich sechs Stunden mit Weiß auf dem Brett. Bis hierhin hatte ich bereits so viele Gewinnmöglichkeiten ausgelassen, dass man es fast nur noch als peinlich bezeichnen kann.

In dem obigen Stellungsbild hat Schwarz ein Remis sicher, wenn es ihm gelingt, mit seinem König vor den Bauern zu laufen. Die Abdrängung durch den Turm ist für Weiß daher generell das Mittel der Wahl. Aktuell ist die Position jedoch nicht gewinnbar, zum Beispiel 1.Tf3 Tf6! 2.Ke2 Txf3 3.Kxf3 Kf7!, und man kann sich davon überzeugen, dass die Fernopposition Schwarz einen halben Punkt rettet. Es folgte also 1.Ke2 Kf7 2.Kd3 (2.Te3 Te6 führt erneut zum Remis) Ke7 3.Kc4.

Jetzt hätte 3… Kd7 remis gehalten. Wir hatten diesen Zug beide wegen 4.Kb5 Ta8 5.Th7+ Kd6 (der König darf nicht auf die Grundreihe) 6.Tb7 verworfen, wonach eine theoretische Gewinnstellung enstanden ist. Tatsächlich hält Schwarz jedoch mit 4… Tg6! 5.Tc3 Tg8 laut Datenbank remis. In der Partie folgte stattdessen 3… Ta8, was einen weißen Sieg zulässt.

Dummerweise sah ich selbigen nicht und entschied mich plangemäß zu 4.Td3, und jetzt führte 4… Ke6 5.b4 Tc8+ zu einer weiteren theoretischen Remisstellung. Gewonnen hätte leider 4.Kc5! (oder 4.Kb5), denn der schwarze König kann sich hier ebenfalls nicht vernünftig annähern, z.B. 4… Tc8+ (4… Kd7 5.Th7+) 5.Kb6 Tb8+ 6.Kc7 Tb4 7.Kc6 Kd8 8.Tg3! (Zugzwang) Ke7 9.Tg7+ Kd8 10.Tb7 Th4 11.Tb8+ Ke7 12.b4 nebst Brückenbau, oder ähnlich. Eine vollständige Analyse würde hier zu weit führen.

Diesmal saß ich auf der schwarzen Seite; Weiß (am Zug) verfügt über zahlreiche Gewinnmöglichkeiten. Der gewählte Versuch ging allerdings gründlich in die Hose: 1.Lg5+?? Kxg5 2.Df7 (sieht eigentlich tödlich aus, aber…) 2… Df6!, und Weiß kann nicht mehr gewinnen. Die schwarze Dame verhindert das Voranschreiten des weißen Freibauern, und sie steht gleichzeitig bereit zum Dauerschach, falls Weiß den Läufer schlagen sollte.

Es folgte 3.Kh3 Dxc6 (droht Matt auf h1, so dass der g-Bauer erneut nicht ziehen darf) 4.Kh2 Df6. Am einfachsten hält Weiß mittels 5.f4+ (dies war zwei Züge zuvor auch schon möglich) exf4 6.Dxf6+ Kxf6 7.gxf4 remis, denn Schwarz behält nur einen Randbauern und den falschen Läufer. Stattdessen versuchte mein Gegner sein Glück mit 5.Dxc7, und es stellt sich laut Engine heraus, dass Schwarz nicht über den halben Punkt hinauskommt.

Es war also in jeder Hinsicht ein Wochenende der ausgelassenen Chancen in unseren Wettkämpfen. Hoffen wir, dass es Anfang 2016 besser für uns läuft, denn wir brauchen im Abstiegskampf mal dringend ein Erfolgserlebnis.


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